

Gute deutsche Filme – Zwischen Meisterwerken und Förderwahnsinn
✍️ Philip Köhler | 🗓️ | Zuletzt geändert:
Der deutsche Film – eine Tragikomödie in mehreren Akten. Von der innovativen Weimarer Zeit mit Klassikern wie Metropolis (1927) und M – Eine Stadt sucht einen Mörder (1931), über die düsteren Nachkriegsfilme wie Die Mörder sind unter uns (1946), bis hin zu den seichten Heimatfilmen der 1950er, die bloß niemanden verstören wollten. Während andere Länder wie Frankreich oder Italien in den 1960ern ihre Filmkunst revolutionierten, stagnierte das deutsche Kino weitgehend. Erst der Neue Deutsche Film in den 1970er Jahren mit Regisseuren wie Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog und Wim Wenders brachte wieder internationale Anerkennung. Doch der kommerzielle Erfolg blieb oft aus.
Warum sind deutsche Filme schlecht?
Die häufige Kritik an deutschen Filmen liegt oft an der dominierenden Filmförderung. Viele Produktionen setzen auf bewährte Muster, anstatt Innovation zu wagen. Während Länder wie Frankreich oder Südkorea mutig mit Genres und Erzählformen experimentieren, fehlt es dem deutschen Kino oft an Risikobereitschaft. Gleichzeitig gibt es jedoch viele herausragende deutsche Filme, die beweisen, dass das Potenzial da ist – es muss nur gefördert werden. Wirklich ambitionierte Filme mussten oft einen Umweg nehmen – zum Beispiel über internationale Koproduktionen oder Streaming-Plattformen wie Netflix.
Die besten deutschen Filme der letzten Jahre
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass deutsches Kino weit mehr kann als mittelmäßige Krimikost oder vorhersehbare Komödien. Filme wie Im Westen nichts Neues, Das Lehrerzimmer und Systemsprenger haben bewiesen, dass deutsche Produktionen auch international für Aufsehen sorgen können. Besonders auffällig: Viele der besten Werke setzen auf emotionale Wucht, starke Hauptfiguren und eine ungeschönte Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen. Bei Movie Flip haben diese Filme immer wieder für Begeisterung gesorgt – hier eine Auswahl, die zeigt, warum das deutsche Kino noch lange nicht abgeschrieben werden sollte.
Im Westen nichts Neues (2022)
Ein packender Antikriegsfilm, der die Brutalität des Ersten Weltkriegs nicht nur zeigt, sondern spürbar macht. Der Film besticht durch seine beeindruckende visuelle Ästhetik, die düstere Schützengräben und das Grauen des Krieges eindrucksvoll einfängt. Der Soundtrack geht durch Mark und Bein, während die schauspielerische Leistung von Felix Kammerer den Zuschauer emotional fesselt. Dass ein solch mutiger Film erst durch Netflix möglich wurde, zeigt, dass neue Wege nötig sind, um ambitioniertes deutsches Kino zu realisieren.
Das Lehrerzimmer (2023)
Ein Film, der das Publikum mitten in die klaustrophobische Atmosphäre eines Lehrerzimmers zieht. Die Kamera bleibt dicht an der Hauptfigur, brillant gespielt von Leonie Benesch, die als engagierte Lehrerin zwischen Loyalität und Gerechtigkeit zerrieben wird. Die Story schnürt einem den Magen zu, weil sie so nah an der Realität ist, dass es schmerzt. Ein Film, der die Absurdität und Härte unseres Bildungssystems gnadenlos offenlegt und dabei emotional tief berührt.
Systemsprenger (2019)
Ein wuchtiges Sozialdrama, das unter die Haut geht. Helena Zengel spielt die zerrüttete Benni mit einer Intensität, die einem den Atem raubt. Ihre verzweifelten Versuche, in einem System zurechtzukommen, das sie nicht auffangen kann, sind herzzerreißend und authentisch. Regisseurin Nora Fingscheidt schafft es, den Zuschauer in die chaotische und verletzliche Welt eines Kindes zu ziehen, das sich nach Liebe und Stabilität sehnt. Ein mutiger, schonungsloser Film, der international gefeiert wurde und zu Recht zahlreiche Preise gewann.
Victoria (2015)
Ein filmisches Meisterwerk, das in einer einzigen ungeschnittenen Kameraeinstellung gedreht wurde. Der Zuschauer begleitet die junge Spanierin Victoria durch eine rauschhafte Nacht in Berlin, die von Leichtigkeit und Lebensfreude in ein nervenaufreibendes Drama kippt. Die Kameraarbeit von Sturla Brandth Grøvlen verleiht dem Film eine unglaubliche Intensität und Authentizität, während die Darsteller, allen voran Laia Costa und Frederick Lau, in ihren Rollen brillieren. Ein Film, der zeigt, wie kreativ und mutig deutsches Kino sein kann – wenn man es denn lässt.
Werk ohne Autor (2018)
Ein episches Drama, das das Leben von Gerhard Richter lose adaptiert und die deutsche Geschichte von der NS-Zeit bis in die DDR-Ära beleuchtet. Tom Schilling spielt den jungen Künstler, der seine Traumata in Kunst verwandelt, mit großer Sensibilität. Die opulente Inszenierung von Florian Henckel von Donnersmarck besticht durch eindrucksvolle Bilder und eine tiefgehende emotionale Erzählweise. Dass dieses ambitionierte Projekt nur durch den Erfolg von Das Leben der Anderen (2006) möglich wurde, zeigt die Herausforderungen für künstlerisch anspruchsvolles Kino in Deutschland.
Wie viele deutsche Filme haben einen Oscar?
Kleiner Bonus zum Schluss. Erfolg messen manche Menschen auch in Pokalen und bis heute haben vier deutsche Filme den Oscar für den besten fremdsprachigen Film (heute: Bester internationaler Film) gewonnen: Die Blechtrommel (1979), Nirgendwo in Afrika (2002), Das Leben der Anderen (2006) und Im Westen nichts Neues (2022). Besonders beeindruckend ist, dass der deutsche Film bereits in den 1920ern mit Filmen wie Der letzte Mann (1924) und Sunrise (1927) international wegweisend war.
Neben diesen vier Filmen wurden auch viele deutsche Schauspieler und Regisseure mit Oscars ausgezeichnet. Ein paar Beispiele:
Emil Jannings – Der erste Oscar-Gewinner überhaupt! Er erhielt 1929 den Oscar als bester Hauptdarsteller für Der Weg allen Fleisches und Sein letzter Befehl.
Luise Rainer – Geboren in Deutschland, gewann sie als erste Schauspielerin überhaupt zwei aufeinanderfolgende Oscars als beste Hauptdarstellerin: 1937 für Der große Ziegfeld und 1938 für Die gute Erde.
Christoph Waltz – Österreichischer Schauspieler, aber durch seine deutschsprachigen Rollen auch hier bekannt. Er gewann zwei Oscars als bester Nebendarsteller: 2010 für Inglourious Basterds und 2013 für
Django Unchained.
Maximilian Schell – 1962 ausgezeichnet als bester Hauptdarsteller für Das Urteil von Nürnberg, ein beeindruckender Gerichtssaalfilm über die Nürnberger Prozesse.
Hans Zimmer: Der renommierte deutsche Filmkomponist gewann 1995 den Oscar für die beste Filmmusik für "Der König der Löwen".
Fazit: Hoffnung zwischen den Zeilen
Traurigkeit können wir. Die besten deutschen Filme sind düster, intensiv und schwer verdaulich. Vielleicht, weil wir historisch so viel davon erlebt haben. Doch gerade in diesen Werken liegt die wahre Stärke des deutschen Kinos. Und vielleicht liegt genau darin die Hoffnung: Dass der deutsche Film sich aus seinen Förderzwängen befreit und wieder das wird, was er einst war – unbequem, kreativ und einzigartig. Diese Filme zeigen, dass es möglich ist. Und vielleicht bekommen wir auch eines schönen Tages mal eine Komödie die nicht den Titel "1½ Ritter – Auf der Suche nach der hinreißenden Herzelinde " hat.
Bildnachweis: Die Titelbild stammt von Play by Deluxe. Die Quelle der Filmtitel ist auf der jeweiligen Filmseite enthalten.